Diversity unter Models

27. Februar 2023

Eine Branche im Umbruch

Wer an Models denkt, denkt an „Size Zero“. Das typische Model ist schließlich groß und schlank – das gilt jedenfalls nach wie vor in vielen Modelagenturen. Die Ansprüche an die Kleidergröße sind dabei teilweise so hoch, oder besser gesagt so gering, dass immer mehr Models sich zu wehren beginnen und mit diesem Thema an die Öffentlichkeit treten. Doch sie sind nicht der einzige Grund, weshalb sich langsam ein Umdenken erkennen lässt. Denn die Diversity hält Einzug in die Modelbranche, was auch für Titel wie eben die „Miss Germany“ gilt. Wir halten also fest: Die Branche befindet sich im Umbruch und das ist auch gut so.

Plus Size Models: Raus aus der Nische

Der wohl bedeutendste Umschwung in der Modelbranche waren in den vergangenen Jahren die Plus Size Models. Lange Zeit waren sie in der Außenseiterrolle und eher in entsprechenden Nischen zu finden. Doch ein Blick nach links und rechts offenbart schnell, dass große Größen heutzutage keine Nische mehr sind. Ganz im Gegenteil, denn immer mehr Menschen in den westlichen Ländern haben Übergewicht. Das führt dazu, dass große Größen in der Mode zunehmend gefragt sind und die „Size Zero“ schlichtweg kein alltagstaugliches Vorbild ist. Plus Size Models haben dadurch einen Weg raus aus der Nische genommen und stellen mittlerweile einige der bekanntesten Topmodels der Welt. Ashley Graham, Tess Holiday oder Kate Upton sind dafür nur drei von vielen Beispielen, deren Namen euch vermutlich geläufig sind. Sie leisten einen wertvollen Beitrag zur #BodyLove-Bewegung, die sich nicht nur in Deutschland seit einigen Jahren verbreitet. Sie werden aber, ebenso wie die Models mit „Size Zero“, auch nicht unkritisch betrachtet, schließlich soll das Idealbild, dem Frauen nacheifern, vor allem gesund sein.

Sportlich ist das neue Schlank!

Zwischen den beiden Extremen der neuen Curvy Topmodels und des Magerwahns einstiger Supermodels, der nach wie vor auf vielen Laufstegen, Editorials & Co vorherrscht, gibt es daher noch einen weiteren Trend: Sportliche Models sind nicht nur unter Männern, sondern auch bei den Frauen immer gefragter. Sie sollen einen gesunden und starken Körper repräsentieren, sozusagen die starke Powerfrau auf einer körperlichen, aber auch auf einer psychischen Ebene. Dieser Trend entspringt dem Fitness-Boom, der derzeit auf sozialen Medien wie Instagram und in den Fitnessstudios herrscht. Auch immer mehr Frauen entdecken nämlich schwere Gewichte für sich oder machen eine Karriere in der Fitnessbranche. Dementsprechend wächst die Zielgruppe für solche Kampagnen rasant, ebenso wie jene in der Plus Size Branche.

Zwischen dem Beruf als Model und Influencer:in…

…verfließen in diesem Zuge immer mehr die Grenzen. Denn viele Models wollen eben nicht mehr nur Kleidung präsentieren, sondern einen Lifestyle. Anstatt durch „Size Zero“ zu Essstörungen wie einer Magersucht anzustiften, möchten sie ihre Rolle als Vorbild nutzen, um eine gesunde Lebensweise zu propagieren. Durch Social Media ist das schließlich einfacher geworden als jemals zuvor. Wer sich als sportliches Model positionieren möchte, postet zum Beispiel die tägliche Ernährung oder das eigene Training. Ernährungsmodelle wie „Low Carb“ werden dabei den sportlichen Zielen wie einem Muskelaufbau zuliebe verworfen – oder entsprechend abgewandelt. Ziel ist also ein kräftiger und gesunder Körper auf der Basis einer individuell angepassten Ernährung, der gerne auch die eine oder andere Rundung aufweisen darf oder gar soll.

Denn noch ein Trend ist auf Social Media zu erkennen: Body Positivity. Es geht darum, sich mit allen angeblichen Makeln zu lieben, seien es einige Pfunde mehr auf den Hüften, Dehnungsstreifen oder was immer der beziehungsweise die Betreffende als unschön empfindet. Allerdings stehen die sozialen Medien natürlich auch in der Kritik, da bekanntlich vieles „Fake“ ist und nicht jedes Model, sei es sportlich, curvy oder schlank, für Jugendliche sowie junge Erwachsene ein gutes Vorbild darstellt. Schließlich handelt es sich noch oft um Extreme.

Wo sind die ganz normalen Leute?

Die Betonung liegt auf „noch“, denn so langsam lassen sich in der Modelbranche auch ganz normale Frauen sowie Männer finden. Diversity muss also nicht bedeuten, extrem schlank, extrem sportlich oder extrem curvy zu sein – und natürlich extrem schön. Nein, auch ganz normale Leute werden heutzutage immer häufiger als Models gewählt. Leute, die zwar nicht extrem schlank, aber auch nicht extrem kurvig sind. Leute mit ein bisschen Muskeln, aber ohne vollkommene Definition. Leute mit einem hübschen, aber nicht übermäßig schönen Gesicht. Schönheit liegt ohnehin im Auge des Betrachters, wie ihr wisst, und innere Werte sollten mehr zählen als äußere. Diese Botschaft vermittelt zunehmend auch die Modelbranche und wählt daher nicht mehr nur große, weiße und schlanke Models, sondern auch Models unterschiedlicher Größe, unterschiedlichen Alters oder unterschiedlicher Ethnien. Die Antwort lautet also: Die ganz normalen Leute sind ebenfalls bereits in der Modelbranche angekommen…sie fristen nun allerdings das Außenseiterdasein wie einst die Curvy Models und haben denselben Sprung in die „Ebene der Topmodels“ noch nicht geschafft.

Die Modelbranche befindet sich im Zwiespalt

So ganz lässt die Modelbranche das einstige Schönheitsideal also noch nicht los. Kritiker behaupten beispielsweise, dass dies bei der jüngsten Staffel von „Germany’s Next Topmodel“ so sei. Namhafte Models aus aller Welt sind sich einig: Diversity nimmt zwar zu, schlussendlich setzen sich nach wie vor aber vermehrt die klassischen Models mit weißer Hautfarbe, schlanker Silhouette und langen Beinen durch. Diversity wird also nach wie vor eher genutzt, um mit einer Kampagne aus der Masse herauszustechen, denn die Masse trägt eben immer noch „Size Zero“ und Diskriminierung ist nach wie vor ein brisantes Thema – auch, aber nicht nur in der Modelbranche. Das beweist sogar ein Blick in die meisten Online-Shops oder auf die Laufstege der Fashion Weeks. Doch es gibt zumindest kleine Lichtblicke wie die neuen Curvy Topmodels oder dass immer mehr Online-Shops die Modelfotos nicht mehr retuschieren.

Ausblick in die Zukunft

Fakt ist also, dass sich die Branche im Umbruch befindet und das ist auch gut so. Trotzdem ist es noch ein weiter Weg bis zu einem völligen Umdenken und auch nicht alle neuen Trends sind rundum positiv zu bewerten. Es gibt schlichtweg noch zu viele falsche Vorbilder in den Magazinen, in der TV-Werbung oder auch in Social Media – nur, dass diese eben immer vielfältigere Formen annehmen. Wenn sich junge Frauen und Männer nun statt am Magerwahn an einer Sportsucht orientieren oder an Übergewicht in einem ungesunden Ausmaß, ist diese Entwicklung schließlich nicht hilfreich. Wenn sie ihnen aber zu mehr „Body Positivity“ verhilft, weil sie ganz normale Menschen in Werbekampagnen oder auf Social Media sehen, welche dieselben angeblichen Makel haben wie sie selbst, kann das auf dem Weg zu mehr Selbstakzeptanz und -liebe helfen.Der Umbruch in der Modelbranche war daher längst überfällig, steckt aber erst in den Kinderschuhen und wird weitestgehend durch all jene Models vorangetrieben, die nun auch als Influencer:innen das Wort ergreifen. Kurz gesagt: Sie fangen an, sich gegen „Size Zero“ und Diskriminierung zu wehren. Das öffnet die Türen der Modelbranche für ganz normale Menschen, die noch vor kurzer Zeit für eine Modelkarriere vielleicht zu alt, zu klein, zu dick oder auf andere Weise nicht geeignet gewesen wären. Es bleibt daher spannend, wohin diese Entwicklung geht. Sicher scheint aber, dass das klassische Model zwar niemals aussterben wird, aber hoffentlich eines Tages nicht mehr alleinig vorherrschend auf Laufstegen, in Editorials & Co ist. Wenn also auch ihr eine Modelkarriere anstrebt, aber dafür nicht alle klassischen Anforderungen hinsichtlich der Größe, Maße, Hautfarbe oder weiterer Kriterien erfüllt, ist jetzt eure Chance gekommen: Ihr könnt Teil der neuen Diversity-Bewegung werden und dadurch einen wertvollen Beitrag leisten, damit die Modelbranche endlich umdenkt.

 

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